Dienstag, 4. Februar 2014

Mk 9, 38-42: Der fremde Wundertäter ist Paulus

Pietro Perugino via
wikimedia

Schritt 4 – Was wollen Petrus und die Zwölf?

In den vergangenen Schritten sind die Taten und Worte von Petrus und den 12 Aposteln im Markusevangelium stets in Negativbildern interpretiert worden. Um den Standpunkt des markinischen Petrus und der Zwölf zu verstehen, sollen diese in positive Begriffe übersetzt werden. Ein Versuch, Verständnis für Petrus und die Zwölf aufzubringen:

Mk 8,29: „Und er fragte sie: Ihr aber, wer, sagt ihr, dass ich sei? Da antwortete Petrus und sprach zu ihm: Du bist der Christus!

In Mk 14,61 und Mk 15,32 gibt Markus durch den Hohenpriester und Pilatus zwei Erläuterungen, was unter dem Begriff „Christus“ verstanden werden kann: „Sohn des Hochgelobten“ und „König von Israel“. In einem vergleichbaren Sinn sind wohl auch Petrus´ Worte zu deuten. Bei seinem Ausruf „Du bist der Christus“ handelt es sich also eher um die feierliche Proklamation einer Majestät als um ein Glaubensbekenntnis.

Mk 8,31: „Und er fing an, sie zu lehren: Der Menschensohn muss viel leiden und verworfen werden von den Ältesten und Hohenpriestern und Schriftgelehrten und getötet werden und nach drei Tagen auferstehen. Und er redete das Wort frei und offen. Und Petrus nahm ihn beiseite und fing an, ihm zu wehren (wörtlich: fing an, ihn anzuherrschen).


Petrus wendet sich in Mk 8,32 entschieden gegen die jesuanische Ankündigung von Verwerfung, Leid und Tod. Offenbar hat Petrus ganz andere Vorstellungen vom majestätischen Christus, der in seinen Augen keinesfalls abgelehnt, sondern – wie von Petrus selbst - feierlich begrüßt wird, keinesfalls leiden muss, sondern möglicherweise in Herrlichkeit herrscht.

Mk 9,2ff: „Und nach sechs Tagen nahm Jesus mit sich Petrus, Jakobus und Johannes und führte sie auf einen hohen Berg, nur sie allein. Und er wurde vor ihnen verklärt; und seine Kleider wurden hell und sehr weiß, wie sie kein Bleicher auf Erden so weiß machen kann. Und es erschien ihnen Elia mit Mose und sie redeten mit Jesus. Und Petrus fing an und sprach zu Jesus: Rabbi, hier ist für uns gut sein. Wir wollen drei Hütten (griech. Σκηνάς – skênas) bauen, dir eine, Mose eine und Elia eine.

Petrus' Worten „hier ist für uns gut sein“ können wir entnehmen, dass der Jesus der Verklärungsszene seinem Christus-Bild entspricht: übermenschlich, göttlich erscheinend, auf Augenhöhe mit Elia und Mose oder gar noch über ihnen stehend. Der griechische Begriff Σκηνάς (skênas) kann im religiösen Kontext mit Altar, Tempel, Stiftshütte, im weltlichen Bereich mit (Theater-)Bühne („Szene“) übersetzt werden. Petrus' Absicht ist also eine verehrungswürdige, majestätische Zurschaustellung von Jesus.

Mk 9,31ff: „Denn er lehrte seine Jünger und sprach zu ihnen: Der Menschensohn wird überantwortet werden in die Hände der Menschen und sie werden ihn töten; und wenn er getötet ist, so wird er nach drei Tagen auferstehen. Sie aber verstanden (griech. ἠγνόουν - êgnooun) das Wort nicht und fürchteten sich, ihn zu fragen.

Das griechische Verb ἠγνόουν (êgnooun) bedeutet in erster Linie ignorieren. Der Text deutet hier ein absichtliches Missverstehen, ein Nicht-Verstehen-Wollen an. Die Jünger verstehen also letztendlich genug, um sich davor zu fürchten und fragen Jesus mit Absicht nicht nach weiteren Einzelheiten. Während Petrus bei der ersten Leidensankündigung noch aktiv gegen Jesus auftrat, ignorieren die Jünger Jesus zweite Leidensankündigung. Gegen Jesus Worte halten sie an ihren Herrlichkeitsvorstellungen vom majestätischen Christus fest.

Mk 9,33: „Und als er daheim war, fragte er sie: Was habt ihr auf dem Weg verhandelt? Sie aber schwiegen; denn sie hatten auf dem Weg miteinander verhandelt, wer der Größte sei.

In Mk 9,33 streiten die Jünger über ihre interne Hierarchie, über ihre Rangordnung im „Hofstaat“ ihres majestätischen Christus.

Mk 10,23: „Und Jesus sah um sich und sprach zu seinen Jüngern: Wie schwer werden die Reichen in das Reich Gottes kommen! Die Jünger aber entsetzten sich über seine Worte. Aber Jesus antwortete wiederum und sprach zu ihnen: Liebe Kinder, wie schwer ist's, ins Reich Gottes zu kommen! Es ist leichter, dass ein Kamel durch ein Nadelöhr gehe, als dass ein Reicher ins Reich Gottes komme. Sie entsetzten sich aber noch viel mehr und sprachen untereinander: Wer kann dann selig werden?

Die Jünger „entsetzen“ sich angesichts des Armutsgebots. Ihr Entsetzen legt nahe, dass sie eigentlich irdische Reichtümer erhoffen. Jesus weist sie deshalb wiederholt darauf hin, dass ein Reicher nicht in das Reich Gottes gelangen kann. Sie „entsetzten sich aber noch viel mehr“.

Mk 10,28: „Da fing Petrus an und sagte zu ihm: Siehe, wir haben alles verlassen und sind dir nachgefolgt.

In Mk 10,28 wird nahegelegt, dass sich die Jünger von Jesus „getäuscht“ fühlen. Sie sind ihm nachgefolgt, haben dafür Anerkennung, möglicherweise gar Reichtümer, jedenfalls aber irdischen Lohn erwartet und stehen nun mit leeren Händen da. Petrus „klagt“ daher ihren Lohn gegenüber Jesus ein.

Mk 10,32: „Sie waren aber auf dem Wege hinauf nach Jerusalem und Jesus ging ihnen voran; und sie entsetzten sich; die ihm aber nachfolgten, fürchteten sich.

Der markinische Jesus marschiert nunmehr stracks seiner Passion, dem irdischen Leiden und Tod entgegen. Die Jünger packt Entsetzen und Furcht, wohl weil sie ihre Hoffnung enttäuscht, ihre Felle davonschwimmen sehen.

Mk 10,35ff: „Da gingen zu ihm Jakobus und Johannes, die Söhne des Zebedäus, und sprachen: Meister, wir wollen, dass du für uns tust, um was wir dich bitten werden. Er sprach zu ihnen: Was wollt ihr, dass ich für euch tue? Sie sprachen zu ihm: Gib uns, dass wir sitzen einer zu deiner Rechten und einer zu deiner Linken in deiner Herrlichkeit … Und als das die Zehn hörten, wurden sie unwillig über Jakobus und Johannes.

Jesu dritte Leidensankündigung wird von den Zebedäussöhnen komplett ignoriert. Sie erbitten von Jesus jeweils einen Posten in seiner Herrlichkeit. Die übrigen Jünger sind über Jakobus und Johannes verärgert. Ihr Missfallen richtet sich jedoch nicht darauf, dass die beiden fehlerhaft im Sinne Jesu handelten, sondern weil sie sich in der Jüngerhierarchie „vordrängelten“.


Wenn wir diese Textstellen im Kontext deuten, so lässt sich folgendes sagen: Die Jünger sind dem Wunderheiler und -wirker Jesus in und von Galiläa aus gefolgt, der überall großen Zulauf und Beifall erhielt. Die von Jesus in Mk 1,38 beabsichtigte Mission hat in Mk 8,9 mit der Speisung der 4000 ihr Ziel erreicht. Die Jünger haben in gewissem Maße ihren Anteil dazu beigetragen, um die Mission überwiegend erfolgreich abzuschließen. In „menschlichen“ Begriffen ist es durchaus verständlich, dass sie nunmehr eine Belohnung erwarten.

Ihre Vorstellungen von dieser Belohnung ähneln wohl dem antiken Tempel- oder späteren Kirchenbetrieb: Jesus als anbetungswürdiges Verehrungsobjekt, die Jünger als Priester oder Bischöfe über den Gläubigen stehend und von diesen – auch materiell - profitierend.

Petrus begehrt vom markinischen Jesus gerade das, was das Matthäusevangelium ihm zugesteht: Mt 16,18 „Du bist Petrus, und auf diesen Felsen will ich meine Kirche bauen“. Von Markus aber erhalten er und die übrigen Jünger nur eine Abfuhr. Mit irdischen Ehren und Besitztümern ist nicht zu rechnen:

Mk 10,30
„jetzt in dieser Zeit“                                          Gemeinden „mitten unter Verfolgungen“
„und in der zukünftigen Welt“                            „das ewige Leben“

Angesichts dieser „harten“ und radikalen Botschaft von Markus kommt fast etwas Mitleid mit den durchaus auch „weltlich“ gesinnten Jüngern auf ...

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